Dienstag, 17. November 2009

Tut Fernweh wirklich weh? oder Warum macht man so etwas eigentlich?

Ich wollte schon immer reisen, Fremdenführerin war einer meiner ersten Berufswünsche und alles was anders ist als in Österreich für mich besonders spannend und anziehend. Mir gefällt die Idee mich auf einige wenige Dinge beschränken zu müssen, eine Zeit lang keinen festen Wohnsitz zu haben, neues kennen zu lernen und dem Gewohnten den Rücken zu kehren. Gleichzeitig möchte ich mich neuen Erfahrungen, fremden Lebensweisen und Kulturen öffnen.

Alex und ich sind jetzt schon seit fast 15 Jahren zusammen und unsere Leidenschaft für das Reisen hat uns wohl besonders zusammengeschweißt. Hier möchte ich das Wort Reisen betonen, denn eine Weltreise hat für mich nichts mit Urlaub zu tun, es heißt ja auch nicht "Welturlaub". Urlaub ist für mich etwas passives, beim Reisen ist man aktiv, auf sich alleine gestellt, muss sich organisieren. Es geht nicht um die Anzahl der Sonnentage und darum um seine schöne Bräune beneidet zu werden. Als wir das erste Mal gemeinsam "verreist" sind haben wir Urlaub gemacht. 14 Tage Incekum bei Antalya, in einem 3 Sterne Hotel direkt am Meer. Es war nett, aber wir haben schon damals versucht uns dem klassischen 14-Tage-Strand-Meer-Hotel-Urlaub zu entziehen. Haben ein Motorrad ausgeborgt und meist auf die inkludierte Halbpension verzichtet, um in kleinen einheimischen Restaurantes zu speisen. Das waren die besten Tage in unserem Pauschalurlaub, aber nachträglich betrachtet hat dann doch noch etwas gefehlt.

Im Jahr darauf entschieden wir uns für unsere erste Reise. 14 Tage auf einem Fleck sind zu lang und das Leben zu kurz um so die ganze Welt kennen lernen zu können. Schon lange hatte ich ein Auge auf die Möglichkeit mittels Interrail-Ticket durch Europa zu reisen geworfen und wenn andere von Ihren Erfahrungen berichtet haben, habe ich mir gedacht "Das will ich auch". Was mich am Reisen besonders reizt ist der Gedanke jeden Tag aufs Neue frei entscheiden zu können wo ich mit wem wie lange bin - wenn etwas besonders schön ist bleibt man dort bis es einen weitertreibt und wenn es nicht passt wird der Rucksack einfach wieder gepackt - das ist für mich ein Gefühl der Freiheit. Als es dann endlich so weit war und der Abreisetag unserers ersten Interrail-Trips da war, hat mich der Mut um ein Haar fast verlassen, ich hatte Reisefieber und es tauchten plötzlich Fragen über Fragen auf: Was ist wenn wir keine Unterkunft finden, ausgeraubt werden, den Zug verpassen, krank werden, niemanden finden der uns versteht, zu streiten anfangen und, und, und...? Immerhin hatten wir ja nur zwei Zugtickets, zwei Ruck- und Schlafsäcke, ein Zelt und ein stark beschränktes Reisebudget das wir uns durch mehr oder weniger lustige Ferienjobs erarbeitet hatten. Zum Glück hat an diesem Tag das Fernweh gesiegt und wir sind am Abend vom Wiener Westbahnhof nach Paris aufgebrochen. Der Grundstein für alle weiteren Reisen war gelegt:

Interrail 1 (Wien - Paris - Barcelona - Lagos - Lissabon - Amsterdam - Düsseldorf - Wien); Interrail 2 (Wien - Hamburg - Kopenhagen - Malmö - Göteborg - Öland - Stockholm - Oslo - Bergen - Wien); New York; Sri Lanka; Toronto (Petra); Segeln in Kroatien; Valencia; Interrail 3 (Wien - Barcelona - Madrid - Sevilla - Cordoba - Cadiz - Granada - Barcelona - Menorca - Barcelona - Wien); Indien (Alex); Budapest; Toskana; Vietnam; Berlin; Korsika; Prag; Südafrika;

Wir haben .... viel gesehen auf unseren Reisen, viel Zeit in Zügen, auf Bahnhöfen, bei McDonalds und im Auto verbracht, unzählige Kilometer zu Fuß zurückgelegt, uns verlaufen, tausende Runden Karten gespielt, jede Menge nette Leute getroffen, massenhaft Fotos gemacht, gelacht, geweint, schlecht geschlafen, gut geschlafen ... Aber das wichtigste war und ist: kein Tag war wie der andere.

Die Rückreise haben wir immer mehr mit einem weinenden als mit einem lachenden Auge angetreten. Das Gefühl noch zu viel verpasst zu haben, uns im jeweiligen Land noch nicht richtig eingelebt zu haben und mehr Zeit zu brauchen hat uns immer wieder zurück nach Hause begleitet. Es gibt kein Land, das wir bis jetzt bereist haben, in das wir nicht noch zumindest einmal zurückkehren wollen. Reisebekanntschaften die für einige Monate unterwegs waren haben wir immer beneidet und von Reise zu Reise hat sich der Wunsch auch mal länger unterwegs zu sein vertieft.

Aber wie es so oft ist: nach der Schule hat man nicht genug Geld, nach der Uni Angst keinen Job zu finden, wenn man einen Job hat Angst diesen oder den bereits gewohnten Lebensstandard wieder aufzugeben und Familie und Freunde zurückzulassen. Nun ist es aber so mit dem Fernweh (oder Traumweh?), es ist wie eine chronische Krankheit, sie meldet sich immer wieder zu Wort: in der Mittagspause wenn man die Touristen auf der Kärnterstraße sieht, in der Buchhandlung in der man sich immer wieder vor den Reiseführern wiederfindet, beim Surfen im Internet, beim Plaudern mit Freunden die gerade von einer längeren Reise zurück kommen. Es ist heimtückisch und ja es tut auch weh, es ist ein ziehen in der Brust und in der Magengrube, es sind Bilder im Kopf die unvermittelt aufpoppen und sich wie ein lästiges Pop-up im Internet nicht mehr schließen lassen.

Die Idee eine Weltreise zu machen haben wir schon vor Jahren geboren. Haben sie immer wieder vor uns hergeschoben, für nicht realisierbar gehalten. Wollten uns schon voll und ganz dem Ernst des Lebens mit Haus und Garten widmen und konnten uns dann doch wieder auf unser Fernweh verlassen. Es hat sich in unserem Leben breit gemacht und sein Flüstern ist immer lauter geworden: "Was ist denn nun mit Eurem großen Traum?", "Soll man seine Träume wenn irgendwie möglich nicht verwirklichen?", "Willst Du Dich ewig fragen wie es gewesen wäre wenn,...?, "Was wirst Du in 30 Jahren wirklich bereuen nicht gemacht zu haben?"...

An einem Sommerabend im August im Volksgarten Pavillion haben wir das Thema "für längere Zeit verreisen" dann wieder einmal aufgegriffen und auf einmal war es ganz klar: Jetzt oder nie. Wir hatten den richtigen Zeitpunkt erwischt, waren beide bereit unsere Jobs erst mal auf Eis zu legen. In der ersten Zeit gab es noch viel Wenn's und Vieleichts, erst Schritt für Schritt haben wir uns mit Thema Weltreise vertraut gemacht: Aus zwei Monaten Indien wurden drei bis vier Monate Indien inklusive Südostasien mit der Option Australien (wenn wir schon mal unterwegs sind ...) und letztendlich ein sechs-monatiger Round-the-World Trip, da der Heimflug so einfach viel komfortabler ist ;-).

Und seit dem geht es Schlag auf Schlag:

Im September haben wir eine grobe Reiseroute festgelegt:

Wien - Delhi - Rajasthan - Goa - Kerala - Nordvietnam - Laos - Nordthailand - Kambodscha - Singapur - Kuala Lumpur - Australien - Samoa - USA Südwesten - Chicago - Wien

Die Flüge sind bereits gebucht, die Arbeitgeber informiert, Reiseführer gekauft, die ersten Impfungen gemacht ... Obwohl wir uns relativ kurzfristig zu unserem Trip entschieden haben, haben wir das Gefühl gut in der Zeit zu liegen und fiebern den 6. Jänner 2010 entgegen. Der erste von 183 Tagen an denen kein Tag wie der andere sein wird.

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